Anna Kim: Geschichte eines Kindes

16. September 2022 - Roman Rezension (Werbung Rezensionsexemplar)

Wenn Schnee überdeckt, ist das eine Art der Vertuschung. Anna Kim schreibt mit „Geschichte eines Kindes“ einen Roman, der niemals von einem dichten Weiß geschluckt werden darf. Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2022 und den Österreichischen Buchpreis 2022.

 

Winter in Winconsin

 

Schon zu Beginn des Romans überdeckt der Schnee alles, löscht gar aus. Sämtliche Markierungen sind vom dichten Weiß geschluckt. Die Autorin lässt einerseits die Protagonisten erzählen und führt zusätzlich Vermerke des Sozialdienstes der Erzdiözese Green Bay ein.

 

Letztere stammen aus dem Jahr 1953. Zu dieser Zeit bringt eine junge Frau einen Säugling zum Sozialdienst, der zur Adoption freigegeben wird. Die junge Carol stammt aus einer Familie mit deutschen und österreichischen Wurzeln. Die Bürokratie des Sozialdienstes veranlasst die sorgfältige Untersuchung des Kindes. Es besteht der Verdacht, dass das Kind nicht von einem Weißen abstammt.

 

Die Abstammung bestimmt die Identität (das Leben)?

 

Der Verdacht erhärtet sich, Mutter und Großmutter des Kindes verstricken sich in offensichtlichen Lügen. Und die Ermittlungen des Sozialdienstes werden von einer Frau geführt, die eine Nazi-Vergangenheit hat.

 

Die Autorin zeigt anhand der fiktiven aber authentisch nachgestellten Vermerke des Sozialdienstes das gesamte menschenverachtende, weil diskriminierende Verhalten jener Zeit, jener Menschen.

 

Die Protagonistin Fran erfährt die Geschichte von ihrer Vermieterin Joan, deren Ehemann eben jenes Kind ist. An dieser Stelle schließt der Roman einen Zeitbogen in die Gegenwart. Die Protagonistin stammt aus Österreich, die Mutter ist Südkoreanerin. Wie sie mit ihrer Identität klarkomme, fragt Joan und erzählt, dass es ihr Mann nicht schaffte.

 

Vielschichtig und sprachlich meisterhaft

 

Es ist nicht nur die Frage der Identität, die Bedeutung der Abstammung und Rassendiskriminierung, die Anna Kim in ihrem Roman anspricht. Die Themen, die sie mit diesem Buch aufgreift sind vielschichtiger: Auswanderung, Sozialisierung, Mutter sein, Familie. Dies alles in einer wunderbaren Sprache, in der jedes Wort, so scheint es, eine Tiefe, einen passenden Sinn ergibt.

 

Anna Kim: Geschichte eines Kindes

 

Suhrkamp 2022


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