22. April 2021 - Roman Rezension (Werbung Rezensionsexemplar)
Eine alte Japanerin fällt immer wieder ins Erzgebirgisch-Vogtländische? „Jeder geht für sich allein“ von Chisako Wakatake lädt zum langsamen Lesen ein.
Viele Leute im Kopf – Demenz?
Monoko sitzt alleine zu Hause und hört die Mäuse rascheln. Sie hat eine Frage zu bedenken: Wer bin ich? Und weiter fragt sie: „Viele Leute im Kopf zu haben, ist möglicherweise Demenz im Frühstadium?“
Monoko ist körperlich allein, vielleicht einsam. Nicht aber gedanklich. Und sie stellt fest: „Was in einem Menschen vorgeht, ist nicht so leicht zu verstehen.“
Japanisches Dialekt als Erzgebirgisch-Vogtländisch
Auch nicht so leicht zu verstehen, sind die Gedanken Monokes, wenn sie dabei in ihr Heimatdialekt verfällt. Das wurde in der deutschen Fassung kurzerhand ins Erzgebirgisch-Vogtländische verkehrt. Und zwingt auf diese Weise zum langsamen Lesen, es sei denn, man ist dieses Dialektes mächtig.
Die Dialektpassagen zwingen also zum langsamen Lesen, besser ertastenden Verstehen. Was dem Buch übrigens gut tut. Denn trotz der verhältnismäßig wenig Seiten (109) hat es viel zu sagen. Über das Leben, über das Alter, über die verschiedenen Gesichter, die man in einem Leben trägt.
Monokes Monologe
Monoke rückblickt ihr Leben. Der Aufbruch nach Tokio, die großen Hoffnungen, die sie im Gepäck hatte. Wie sie wegen ihres Dialektes verlacht wurde und die Hochsprache lernte. Wie sie sich selbst dabei verlor. Wie sie sich verliebte und sich anschließend in den Rollen wiederfand, vor denen sie einst geflohen war: Mutter und Hausfrau.
Gelungenes literarisches Debüt
Es ist ein sehr persönlicher Roman. Die Autorin, geboren 1958, schreibt mit „Jeder geht für sich allein“ ihr literarisches Debüt und kann damit überzeugen. Bei aller Bitter- und Einsamkeit bleibt ein Fünkchen Hoffnung zurück. Was wären wir ohne sie.
Hier gibt es den Roman direkt beim Verlag.
Chisako Wakatake: Jeder geht für sich allein
cass Verlag 2020
Aus dem Japanischen von Jürgen Stalph
109 Seiten, Hardcover