19. Februar 2022 - Roman Rezension (Werbung Rezensionsexemplar)
Trauer ist ein unerschöpflicher Brunnen für Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Sie findet auch in „Finnische Tage“ von Herman Koch einen herausragenden Platz.
Trauer, Zeit und Leben
Vielleicht ist die Trauer der meist unterschätzte Zustand eines Menschen. Doch ist es gerade die Trauer, die uns zu großen Veränderungen veranlassen kann.
Herman Koch weiß dies, kennt es aus eigener Erfahrung. In seinem autofiktionalen Roman „Finnische Tage“ erzählt er von den Reisen nach Finnland, die er als junger und als alter Mann unternahm. Waren diese Reisen eine Flucht?
Der holländische Junge, dessen Mutter starb
Mit 19 Jahren reiste Herman über die vereiste Ostsee in den ebenfalls vereisten Hafen von Helsinki und weiter mit der Bahn durch die verschneiten Wäldern nach Lieksa. Hier wurde er bald zum holländischen Jungen, der auf Mattis Bauernhof arbeitet.
Nicht genug damit: Er ist auch der holländische Junge, dessen Mutter verstarb. Der Tod der Mutter ist ein Grund dafür, warum Herman in Finnland ist. Kann man vor der Trauer fliehen?
Herman hofft auf einen Unfall, gar auf den Tod. Das Leben zu verlieren ist wie eine Befreiung für ihn. Der zweite Grund ist die Antwort auf die Frage, die der Vater stellte: Was willst du mit deinem Leben anfangen.
Was willst du im Leben?
So leicht wie Koch erzählt, so fiktional die ein oder andere Szene sein mag: „Finnische Tage“ ist ein Buch der Reflektion. Wir lesen den alten Koch, der in die Vergangenheit schaut und aus der Gegenwart erzählt. Und erfahren von den Finnen und den Ungarn, die einst aus dem gleichen Stamm in der Mongolei kamen.
Der autofiktionale Roman „Finnische Tage“ ist ein dichter Roman, in dem man sich winden und drehen mag, ohne der Grund-Traurigkeit zu entkommen, die ihn durchzieht. Die finnischen Wälder stehen dabei genauso gut für Einsamkeit und Reflexion wie für Familie und Zusammenhalt.
Der Roman ist auch direkt beim Verlag Kiepenheuer & Witsch zu erhalten.
Herman Koch: Finnische Tage
Aus dem Niederländischen von Christiane Kuby und Herbert Post
Kiepenheuer & Witsch 2021