01. September 2022 - Roman Rezension
„In Büchern findet sich eine ganze Welt“, heißt es in „Der Buchspazierer“ von Carsten Henn. Die Frage bleibt: Was ist das für eine Welt? Spaziert und gelesen auf @LiteraTüren.
Wenn die Brigitte auf die Rückseite schreibt
Bei allem Respekt: Wer ein Buch auf der Rückseite mit einem Zitat aus der Brigitte wie „... zum Einkuscheln, ein Buch das wärmt und Zuversicht spendet“ einpreisen lässt, führt Leserin und Leser unweigerlich in eine Ecke der ideelen Buchhandlung, in der sich Adjektive wie rührselig, herzzerreißend und warmherzig die Hand reichen. Kennen Sie diese Ecke oder schlagen Sie einen Bogen darum?
Sehr gut kennt sich Protagonist Carl Kohlhoff mit allen Ecken der Buchhandlung, die seltsamerweise Am Stadttor heißt, obgleich sich selbiges drei Kreuzungen entfernt befindet, aus. Doch Kohlhoff, der der realen Welt „abhandengekommen“ ist, kennt sich auch noch woanders gut aus.
Spazieren durch die Literatur
Zum Beispiel, was naheliegt, in der Literatur. Und darüber hinaus auch in seiner Stadt und mit den Bücherfreundinnen und -freunden, die es hier gibt. Ihnen liefert er Buchbestellungen zu Fuß aus. Die Menschen, deren richtige Namen er nicht behalten kann, vergleicht er mit Figuren aus der Literatur.
Auf diese Weise bewegt sich der Protagonist gleich in zwei Welten. Zeit- und Weltensprünge der anderen Art. Für Buchfreundinnen und -freunde ein gleichermaßen bekannter wie beliebter Zustand.
Die Suche nach dem Glück und wie die Brigitte schon sagt
In diesem nahezu perfekten Zustand greift das unplanbare Leben ein und fügt dem Protagonisten einen fatalen Schicksalschlag zu. Es bedarf der Jugend, um Carl einen Weg aus dem Tal zu zeigen.
Carsten Henn schreibt mit „Der Buchspazierer“ einen Roman, der liebenswerte Figuren zum Inhalt hat. Die Zeichnung der Charakter greift zuweilen auf stereotype Eigenschaften zurück, die mehr der Fantasie denn der Realität entsprungen zu sein scheinen. Der zum Großteil unterhaltsame Schreibstil entfaltet eine vorhersehbare Handlung. So erweist sich das eingangs genannte kitschige Buchrückseitenzitat der Brigitte als (leider) berechtigt.
Carsten Henn: Der Buchspazierer
Pendo Verlag im Piper Verlag 2020