01. April 2021 - Roman Rezension (Werbung Rezensionsexemplar)
Glück und Selbsterfüllung werden oft von einem grauen Alltag begraben. Warum verlieren wir unsere Ideale so schnell? Diana Evans geht dieser Frage in „Leute wie wir“ auf den Grund.
Hoffnungsschimmer mit Obama-Party
Anlässlich der Wahl Obamas zum US-Präsidenten veranstalten die Wiley-Brüder in Crystal Palace, einem Wohnbezirk im Süden von London, eine Party. Eingeladen sind auch M & M, Melissa und Michael.
Steht Obamas Wahl zum Präsidenten eines der mächtigsten Länder der Welt wie ein Hoffnungsschimmer auf grundlegende Änderungen, darf die Party zu diesem Anlass als nichts Geringes in seiner Bedeutung für die meisten Gäste verstanden werden.
Außen ein Kristallpalast, innen …
Vielleicht steht die Übersetzung von Crystal Palace exemplarisch für den Alltag vieler Menschen: Außen ein Kristallpalast, drinnen die Tristesse grauer Vorhänge.
Nun, so ähnlich fühlen sich M & M. Melissa, gerade das zweite Kind entbunden, empfindet Überforderung durch die täglichen Aufgaben. Auch weil Michael ihr wenig hilft, weil er in seiner eigenen Illusion eines glücklichen Lebens gefangen ist. Für Michael ist Melissa manchmal „zu englisch, zu weiß“. Elektronische Nachrichten, die sie zuweilen austauschen, lauten jetzt nur noch „Klopapier bitte“ und kommen ganz ohne Smileys, Herzen und Küsse aus.
So bewohnen M & M „zwei verschiedene Häuser in einem kleinen Haus“.
Die Biegung eines Nackens am Haaransatz
Einem zweiten Paar, Stephanie und Damian, geht es nicht viel anders. Vor allem für Damian fühlt sich alles falsch an. Er betrauert seine brachliegende künstlerische Seite. Und betrachtet verstohlen die sinnliche Biegung des Nackens am Haaransatz von – Melissa!
Da ist Mrs. Jackson mit ihrer dementiellen Störung schon fast zu beneiden. Werden die vier Menschen ihren Alltagstrott besiegen können? Werden sie zu Menschen wie wir oder sind sie es schon?
Multiperspektivisch lakonisch
Diana Evans erzählt die Handlung, die aufgrund des Sujets wenig Dynamik aufweisen kann, multiperspektivisch und ausgesprochen trocken, fast lakonisch.
Gleichwohl weiß sie damit Bilder hervorzurufen, Gefühle zu wecken und Vergleiche zu ziehen.
Diana Evans ist mit „Leute wie wir“ ein Roman gelungen, der so oder so ähnlich überall auf der Welt spielen könnte. Wie ein Spiegel führt sie uns Figuren in den Blick, die wir alle kennen. Leute wie wir eben.
Das Buch ist hier beim Verlag erhältlich.
Diana Evans: Leute wie wir
Atlantik 2021
Aus dem Englischen von Mayela Gerhardt
416 Seiten, E-Book