25. Oktober 2023 - Roman Rezension (Werbung Rezensionsexemplar)
Es sind die gravierenden Lebensveränderungen, die uns aus dem Alltag holen und uns in eine andere Richtung lenken. Ewa Maria Wagner beschreibt dies in „Tristan-Akkord“.
Eveline
Unsere Protagonistin ist Eveline, kurz Ev. Sie spielt Bratsche in einem Orchester und wird vom Leiter desselbigen mit dem Umstand konfrontiert, dass gespart werden muss. Ausgerechnet wohl an Evs Stelle. Obgleich sie seit zwanzig Jahren dort spielt, gehört sie zu den „neuen“ Orchester-Mitgliedern. Die trifft es bei so etwas bekanntlich als erste.
Die Eröffnung der Sparmaßnahmen führt nicht nur zu einer Ohnmacht, sondern setzt bei Ev auch Gedanken frei. Insbesondere die Beschäftigung mit dem Verhältnis zu ihrem Vater.
Rückblick im anderer Perspektive
So schiebt die Autorin in die fortlaufende Erzählung der Gegenwart zeitliche Rückblenden ein. Sie verändert dabei die Erzählperspektive von der dritten in die erste Person. Ein kluger Schachzug, der nicht nur die Rückblende absetzt, sondern lässt diese Passagen eindringlicher, intensiver erscheinen.
Zumal der Vater in diesen Rückblenden mit „du“ angesprochen wird. Auch dies ist ein wunderbares sprachliches Mittel, um die Bedeutung herauszustellen.
Draußen waren wir Polen ...
Es ist aber nicht nur die Ebene der Vater-Tochter-Beziehung, die Wagner zum Inhalt ihres Romans werden lässt. Sie erzählt auch die Geschichte der vertriebenen Schlesier in Deutschland in den 1960zigern, 1970zigern.
Hier fallen Sätze wie: „Draußen waren wir Polen, drinnen blieben wir Deutsche.“ Ewa Maria Wagners „Tristan-Akkord“ ist ein Buch mit einer einfachen, klaren Sprache, klug durchdachten Handlungsaufbau und nachdenklich machenden Themen. Das ist nahe der Genialität.
Ewa Maria Wagner: Tristan-Akkord
Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers
Urachhaus Verlag 2022