09. September 2022 - Roman Rezension (Werbung Rezensionsexemplar)
Alles hat einen Ursprung. Die Veranlagung zur Gewalt nicht minder. Diesen zu finden, macht sich Fabrice Humbert in „Der Ursprung der Gewalt“ auf den Weg.
Die Schublade der Familiengeheimnisse
Für den Protagonisten, den jungen Lehrer Nathan Fabre, war es ein Foto anlässlich des Besuchs des Konzentrationslagers Buchenwald: Der Öffner für die Schublade der Familiengeheimnisse. Man fragt sich: Welche Familie hat keine Geheimnisse?
Wenn sie wie im Roman von Humbert mit dem Zweiten Weltkrieg verknüpft sind, greifen sie auf die elementarsten Gefühle zurück. Wut, Gewalt, Schuld, Leidenschaft: Welche davon gehören zu der Vergangenheit von Nathan Fabre?
Der Großvater, der keiner ist
Nathan Fabre findet das Foto eines Häftlings in Buchenwald, der seinem Vater zum Verwechseln ähnlich sieht. Der kann es nicht sein und auch seine Vorfahren waren nicht im Konzentrationslager. Zurück in Paris begibt sich Nathan auf die Suche.
Er wird bald fündig. Sein Großvater ist nicht der Vater seines Vaters. Der Mann auf dem Foto ist es dafür. Ein Jude mit dem Namen David Wagner. Stück für Stück offenbart sich dessen Geschichte und die Verquickung mit der Fabre-Familie.
Denunziation und der Ursprung der Gewalt
Es ist eine Geschichte der Liebe und des Neids, der Schuld und Denunziation, wie sie nur der Krieg schreiben kann. Und die Gewalt, die damit einhergeht. Vielleicht ist das der Ursprung der Gewalt.
„Ich kann mich nur an Dinge erinnern, die mit Gewalt und Angst zu tun haben.“ Fabrice Humbert lässt seinen Protagonisten recherchieren. Er kombiniert die Vergangenheit mit der Zukunft, macht aus der Geschichte die seltsamen Verhaltensweisen der Gegenwart erklärlich und entlarvt und entkleidet die Schwächen der Menschheit. „Der Ursprung der Gewalt“ ist augenscheinlich eine Familiengeschichte, in Wahrheit jedoch ein Spiegel der Gesellschaft und des noch immer nicht verarbeiteten Erbes des Krieges.
Fabrice Humbert: Der Ursprung der Gewalt
Aus dem Französischen von Claudia Marquardt
Elster & Salis 2022