26. Oktober 2021 - Novellen Rezension (Werbung Rezensionsexemplar)
Mit der Wende verschwand nicht nur ein Land, sondern auch der größte See in Ungarn. Jedenfalls so wie ihn Noémi Kiss in ihrer Novellensammlung „Balaton“ beschreibt.
Honeckerlatschen
Es ist sonderbar anzunehmen, dass ein innerdeutsches Ereignis Auswirkungen auf den größten Steppensee Europas haben, könnte, der sich bekanntlich einige hundert Kilometer von Berlin befindet. Nun, die Auswirkungen betrafen weniger den See als die Menschen, die am und vom Balaton lebten.
Für die „Ostdeutschen“ war der Balaton so etwas wie Mallorca für die „Westdeutschen“: ein Traumurlaubsziel. Für die Ungarinnen und Ungarn waren die „Ostdeutschen“, die Jahr für Jahr zu Tausenden an den größten See Ungarns strömten, jedenfalls mehr als „interessant“.
Dreizehn Novellen
Noémi Kiss hat in ihrem Buch „Balaton“ insgesamt 13 Novellen gebunden, die vom „Ungarischen Meer“ erzählen. Die Verbindung zu Deutschland erfolgt nicht zuletzt über Honeckerlatschen.
Gleichwohl sind die „Ostdeutschen“ nur eine Kulisse, mit deren Hilfe die Autorin die Eigenarten und Besonderheiten der ungarischen Menschen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Zusammenbruch des Ostblocks charakterisiert. Das in diesem Buch auch Begriffe wie „Zigeuner“ auftauchen, mag an anderer Stelle heiß diskutiert werden, hat chronologisch betrachtet einen logischen Hintergrund.
Schneckensammlerin
Was viel mehr ins Gewicht fällt ist der Sprachstil der Ungarin. Noémi Kiss erzählt frisch, fast frech, mit feinem, meist aber derben Humor und unheimlich viel Pragmatismus. Auf diese Weise charakterisiert sie zugleich die Menschen, über diese sie schreibt. So wird „Balaton“ ein wunderbares Zeugnis einer ganzen Generation und eine literarische Dokumentation einer Nation.
Das Buch erhalten Sie hier direkt beim Verlag.
Noémi Kiss: Balaton
Novellen
Europaverlag 2021
Aus dem Ungarischen von Eva Zador