13. September 2022 - Roman Rezension (Werbung Rezensionsexemplar)
Eine der überraschendsten Strömungen des deutschsprachigen Gegenwartromans ist sicherlich die Wiederauferstehung des Dorfromans. Reinhard Kaiser-Mühlecker mit „Wilderer“ nimmt darin einen besonderen Platz ein. Nominiert für den Deutschen und den Österreichischen Buchpreis 2022.
Jakob
Reinhard Kaiser-Mühlecker passt mit „Wilderer“ gleichwohl nur bedingt in die Sehnsucht nach ländlicher Idylle, die in vorgenannter Strömung ausschlaggebend sein mag. Seine Perspektive ist (erfreulicherweise) eine innere. Eine, von der man spürt und liest, dass der Autor die Materie kennt, von der er schreibt.
Protagonist ist Jakob. In dieser Figur sammeln sich die Widersprüche. Er ist der Jungbauer auf einem Hof in Oberösterreich. Nicht gerade das., was junge Menschen in der Stadt mit smart bezeichnen. Etwas sperrig, verwinkelt und besonders schweigsam. Und dennoch voller Sehnsucht.
Jakob und Katja
Jakob schläft gerade vier Stunden am Tag, mehr geht nicht. Zum Einen, weil der Kampf um den Erhalt des Hofes viel Arbeit abverlangt. Und wenigstens am Anfang scheint dieses Unterfangen sinnlos. So macht sich eine depressive Grundstimmung in diesem Roman breit.
Doch diese dauert nicht ewig. Sie wird von Katja durchbrochen. Einer Künstlerin. Es ist ein unerwartetes Glück. Jakob und Katja werden ein Paar. Sie hellt seinen Alltag auf mit ihrer Kunst, mit ihrem offenen Charakter auf.
Gegenströmung zur Handlung
Es bleibt ein unerwartetes Glück, das vielleicht deswegen besonders fragil ist. Jedenfalls fühlt Jakob so und ist gleichwohl unfähig, darauf adäquat zu reagieren. Diese Unfähigkeit ist fatal gepaart mit seinem aufbrausenden, unterdrückten Jähzorn, mit einem abgrundtiefen Hass auf die Schwester. Dieser Drang zum Wilden, zur Barbarei wird durch das Wildern von Jakobs Hunden symbolisiert (gleich zum Beginn des Romans).
Reinhard Kaiser-Mühlecker erzählt von innen heraus über einen zeitgenössischen Bauernhof, authentisch und deshalb bewegend. Er setzt mit einer angemessenen Symbolik und authentischen, klaren Sprache Akzente, untermauert die Handlung mit einer gegenläufigen Strömung und zeichnet auf diese Weise ein stimmiges, zeitgenössisches Portrait des Landlebens.
Reinhard Kaiser-Mühlecker: Wilderer
Fischer 2022