23. November 2021 - Ratgeber Rezension (Werbung Rezensionsexemplar)
Ratgeber in Briefform kann funktionieren. Vincent Cueff lässt einen Philosophie-Professor „Briefe an Lila“ formulieren und spricht eine andere Sprache als seine Zielgruppe. Noch auf der Suche bei @LiteraTüren.
Das Vorwort vom Vorwort oder das Übel mit den Vorerklärungen
Wenn ich ein Buch aufschlage, möchte ich sofort in die Handlung eintauchen. Vorwörter sind für mich damit nicht nur redundant, sondern sogar lästig. Schließlich weiß ich nicht, ob sie für die Lektüre des Buches wichtig sind oder nicht und bin gezwungen, sie zu lesen. In 99 von 100 Fällen bestätigt sich, dass sie überflüssig sind und sich daher, wenn überhaupt, gerne am Ende des Buches wiederfinden dürfen. Bei der vorliegenden Suche nach dem Sinn des Lebens haben wir nicht nur das Vorwort des Autors sondern vorweg auch „Ein Wort vorweg“. Doppelter Ärger!
Bei „Briefe an Lila“ handelt es sich um einen Ratgeber in Briefform. Auffällig ist, dass es sich um eine einseitige Korrespondenz handelt, denn von Lilas Briefen lesen wir nur in den Antwortbriefen. Das wirft die Frage auf: Gab es Lilas Briefe wirklich? Tatsächlich hätten die mich mehr interessiert.
Alte Sprache für junge Menschen
Lila ist ein junger Mensch an der Schwelle zum Erwachsenenwerden. Ihr antwortet ein Philosophie-Professor. Können sich die beiden verstehen? Dazu müssten beide die gleiche Sprache sprechen. Der Philosophie-Professor, und damit auch der einzige, den wir zu lesen bekommen, philosophiert in lateinischen Maximen. Was ist die Begründung für diesen Schritt? Ein Sprichwort wiegt mehr, wenn es auf Lateinisch gesagt wird. Ich habe Zweifel an dieser These. Ich würde eher sagen: Ein Sprichwort wiegt etwas, wenn es in der Sprache gesagt wird, die die Empfängerin versteht.
Die Maxime sollen Orientierungshilfen für ein fruchtbareres(!), kreativeres, reicheres und damit glücklicheres Leben sein. Die erste Maxime lautet: Amor Fati. Liebe dein Schicksal. Im nachfolgenden Brief wird dieser Sinnspruch erklärt. Jeder weitere Brief steht unter einem ähnlichen Schicksal: Maxime vorweg, Erläuterung folgt. Am Ende erfordert es sogar ein Glossar für die lateinischen Sprüche.
Maxim Maximus
Eine Maxime jagt die nächste, darunter das schon abgegriffene Carpe Diem. Bei esto quod es sei, was du bist verschwimmen Latein und Deutsch auch schon mal. Die gebräuchlichsten Verben sind „müssen, können, sollen“, wenn dabei auch das vorteilhafte Pronomen „wir“ gewählt wurde.
Ich habe Zweifel, ob Lila die Sprache ihres Professors wirklich versteht. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn Lilas Jahrgang nicht die Zielgruppe dieses Buches wäre. Ich hätte mir ein Buch gewünscht, in der Sprache geschrieben wird, die junge Menschen verstehen.
Vincent Cueff: Briefe an Lila: Die Suche nach dem Sinn des Lebens
Aus dem Französischen von Hanna van Laak
Scorpio 2021